Was ist (die) Arche?
Gewaltfreiheit, Spiritualität, Inspiration.
Vom Arbeitenden Orden zum kreativen Gruppenprozess.
(von Lee Bach-Bayram, Juli 2010)
Die Internationale „Gemeinschaft der Arche“ ist eine Bewegung mit Lebensgemeinschaften.
Die Inhalte der Arche sind im Wesentlichen Gewaltfreiheit und Spiritualität. Ursprünglich
richtet sich die Arche nach Mahatma Gandhi und seinem gewaltfreien Lebensstil, sowie
seinen gewaltfreien Aktionen aus. Gandhi war stark beeinflusst von der indischen Bhagavad-
Gita und beeindruckt von der Bergpredigt Jesu. Kein Wunder also, daß viele Christen
verschiedener Gruppierungen Mitglieder der Arche sind. Bemerkenswert aber ist an ihnen,
daß sie andere Religionen und Glaubensrichtungen achten, wertschätzen, mit ihnen im
Dialog sind und von ihnen lernen wollen. Dies hatte auch Gandhi praktiziert, und es wird bis
heute in den Nachfolgebewegungen der gandhianischen Sarvodaya-Bewegung so gehalten
(Sarvodaya-Wohlfahrt für alle, engl.: uplift of all). In der Arche gibt es außer Menschen mit
christlicher Einstellung auch Buddhisten, Juden, Muslime und hinduistische Strömungen,
sowie Menschen, die Gott in der Natur oder als Große Mutter sehen. Einige sind keiner
Religion anhängig und werden daher Sucher genannt. Der Lebensstil der Arche ist einfach.
Selbstversorgung und regionale Produkte werden bevorzugt. Handarbeit und mittlere Technik
wird eingesetzt, um „Kopf, Herz und Hand“ gleichermaßen zu beteiligen. Mehrere Male am
Tag wird zum „Rapell“ geläutet, ein Innehalten und sich Besinnen.
Die Arche wurde von dem italienischen Adeligen normannischer Abstammung Guiseppe
Lanza di Trabia gegründet. Er wurde 1901 geboren, nannte sich selbst Lanza del Vasto (was
soviel wie „Lanza aus der Weite“ bedeutet) und bekam später von Mahatma Gandhi den
Namen Shantidas (Diener des Friedens). Lanza suchte 1937 Gandhi in Indien auf, verbrachte
drei Monate mit ihm als sein Schüler und fühlte sich anschließend berufen, in Europa eine
Gemeinschaft zu gründen, ähnlich wie die Aschram-Gemeinschaften Gandhis. Vorher hatte
Lanza in Frankreich und Italien Philosophie studiert, eine Doktorarbeit geschrieben und sich
an politischen Protesten gegen Faschismus und die Kolonialkriege Mussolinis beteiligt.
Nach seinem Aufenthalt in Indien, der 15 Monate dauerte, wanderte und reiste er durch den
Vorderen Orient und lebte einige Monate in der Schweiz. Während des 2.Weltkriegs weilte er
als politischer Flüchtling in Marseille und danach in Paris, wo er 1944 die erste
„Gemeinschaft“ gründete, die darin bestand, daß Menschen sich ein mal in der Woche mit
ihm trafen. Ihre Mitglieder nannten sich „Ordre Laborieux de la Paix“, was soviel heißt wie
„Arbeitender Orden für den Frieden“. 1943 hatte Lanza mit großem Erfolg sein Buch „Die
Pilgerfahrt zu den Quellen“ herausgegeben, ein Bericht über seine Indienreise und die
Begegnung mit Gandhi. Dadurch wurde er bekannt und oft fragte man ihn, wie die Massaker
des Krieges endlich beendet werden könnten. Seine Antwort war die Gewaltfreiheit, und der
Mut sie zu leben und zu propagieren.
1948 gründete er dann zusammen mit seiner Frau Chanterelle die erste Arche-
Lebensgemeinschaft in Tournier. Der Name „Arche" bezieht sich auf die biblische Noah-
Geschichte, wonach die Menschen Gottes Schöpfung achten sollen. Dort lebte man so
einfach und asketisch wie möglich, mit hohen Idealen im Sinn. Die Mitglieder nannten sich
compagnons und compagnes (Gefährten und Gefährtinnen). 1954 besuchte Lanza den
Nachfolger des 1948 ermordeten Gandhi, Vinoba Bhave. Im gleichen Jahr begann der
Algerienkrieg Frankreichs und die Arche-Mitglieder engagierten sich gegen Kriegsgewalt,
Folter und französische Konzenrationslager mit Protest- und Fastenaktionen. Auch gegen die
ersten Atombombenabwürfe fasteten sie zwei Wochen lang in Genf.
Während all dieser Aktivitäten schrieb Lanza immer wieder Bücher und Abhandlungen zu
religiösen, pilosophischen und politischen Themen. 1961 reiste er nach Südamerika und in
den Libanon. Die Gemeinschaft wechselte noch zwei mal den Ort, wurde dabei größer und
etablierte sich schließlich 1963 in den bäuerlichen Anwesen La Borie Noble und Nogaret.
1967 kam noch die Gemeinschaft La Fleyssiere dazu. Alle drei sind nur wenige Kilometer
voneinander entfernt. Sie liegen in den Bergen, ca 80 km nordwestlich von Montpellier.
Nogaret ist zur Zeit nur von wenigen Menschen bewohnt und dient im Sommer als
Seminarhaus. 1966 reiste Lanza wieder nach Südamerika. Noch sechs weitere Reisen
folgten. Er hinterließ dort deutliche Spuren. Auch nach Indien zog es ihn wieder im Jahr
1970. 1971 fastete er in Kanada für Bangladesh. Als der „Pilger“ repräsentierte er die Arche
nach aussen und war viel unterwegs.
Dann begann 1971 der Kampf um den Larzac, einer Hochebene, nicht weit von den Arche-
Gemeinschaften entfernt, wo die französische Regierung einen Truppenübungsplatz anlegen
wollte. Dort engagierten sich die Arche-Mitglieder mit Fastenaktionen, gewaltfreien
Trainings und Solidarität für die einheimischen Bauern bis 1981. Der Kampf war schließlich
erfolgreich, der Truppenübungsplatz wurde nicht realisiert. 1974 wurde auf dem Larzac die
Arche-Gemeinschaft Les Truels gegründet. Aus den Erfahrungen des gewaltfreien Ringens
auf dem Larzac entstand schließlich die Arbeitsgruppe Coordination Action Non Violente de
l‘Arche (CANVA), die bis heute gewaltfreie Aktionen organisiert und mit anderen ähnlichen
Organisationen vernetzt ist.
Im November 1975 starb Chanterelle. 1976 wurde die Gemeinschaft Bethsalem I gegründet,
im Südwesten Frankreichs. Nach Chanterelles Tod reiste Lanza noch viel umher: noch zwei
Mal nach Indien, nach Nord- und Südamerika, nach Australien und Japan.
Inzwischen hatten sich noch weitere Gemeinschaften gegründet: Bonnecombe, Le Grand
Mouligne und La Longuera in Spanien. Dort starb Lanza del Vasto am 5. Januar 1981.
Er hinterließ einen großen Schatz an Literatur mit tiefen religiösen Einsichten,
philosophischen Abhandlungen und politisch-gesellschaftlichen Betrachtungen, die leider erst
in der neueren Zeit ihren Weg in die Archive der französischen Universitäten fanden und ihn
damit in den Pantheon der großen französischen Philosophen erhoben. Er malte und
schnitzte, schuf Gebetstexte, Choräle und Lieder. Seine Frau Chanterelle, die eine
wunderschöne Stimme hatte und in Gesang ausgebildet war, inspirierte und unterstützte ihn
dabei. Die Lieder und Gebete begleiten den Tagesablauf der Arche-Gemeinschaften und
machen immer wieder die Verbindung zur göttlichen Quelle des Lebens auf eindrucksvolle
Weise bewußt. Darunter sind zum Beispiel auch die Gebete für andere Religionen (prieres
pour ceux qui prient autrement), die -genau wie bei Gandhi, sich täglich einer anderen
Glaubensrichtung zuwenden, sie anerkennen und für sie um Segen bitten. Am Freitag wird
für die Einheit der christlichen Kirchen gebetet. Das Gebet um das Feuer ist wohl eines der
bekanntesten und wichtigsten Gebete der Arche. Es wird überall auf der Welt, wo Arche-
GefährtInnen und -FreundInnen leben, gegen acht Uhr abends an einem offenen Feuer oder
bei Kerzenlicht gemeinsam gesprochen. Für manche war Lanza ein Revolutionär, für andere
ein Reaktionär, denn er hatte sich nie von seinem christlich-katholischen Glauben gelöst,
sondern ihn, auf Gandhis anraten, vertieft.
Sein Nachfolger, Pierre Parodi, konnte leider nur kurze Zeit das Pilgeramt bekleiden. Er starb
nach einer Reise an einer Leberkrankheit. Pierre hatte mit seiner Familie einige Zeit in Nord-
Afrika gelebt und bei einfachen Menschen auf dem Land als Arzt gearbeitet. Er schrieb
später das Buch „Hilfe für die Dritte Welt“. Nach Pierre wurde Jean-Baptiste Libouban
Pilger. Er wurde dabei von seiner Frau Janine unterstützt. Janine ist übrigens eine begabte
Sängerin und Chorleiterin. Jean-Baptiste engagiert sich in seinem hohen Alter noch als
„Schnitter“ in der Bewegung gegen Gentechnik. Seit 2005 ist die Kanadierin Michele
LeBoeuf Pilgerin. Sie bekam von Lanza den Namen „La Cavalle“, weil sie sehr gut mit
Pferden umgehen kann. In La Borie, wo sie mit ihrem Mann Jean und den Kindern wohnt,
wird immer noch mit Pferden gepflügt und Holz transportiert.
Aus der Gemeinschaft Bonnecombe zog eine Gruppe nach St.Antoine, ebenfalls ein altes
Kloster, am Rande der französischen Alpen bei Valence. Mit viel Mühe und Geduld, sowie
mit einem großen Unterstützerkreis haben sie die alten Gemäuer renoviert, erweitert und
modernisiert. St-Antoine ist ein erfolgreiches Seminar-Zentrum geworden. Hier werden die
Ideen und Ideale der Gewaltfreiheit auf persönlicher, gemeinschaftlicher und
gesellschaftlicher Ebene ausgeübt und verbreitet. In 2008 wurde dort FEVE gegründet, eine
Arbeitsgruppe für vorwiegend junge Menschen, die Leben in Gemeinschaft kennen lernen
und praktizieren wollen. Das Kloster Bonnecombe mußte in den 90er Jahren geräumt
werden, da die Pacht abgelaufen war.
Anfang der 1980er Jahre formierten sich in Deutschland immer mehr Arche-Freundeskreise,
die von den Gemeinschaften in Frankreich inspiriert waren. In Süddeutschland, bei
Ravensburg entstand die Gemeinschaft „Sichelschmiede“, in der Gertrudis und Stefan
Schülle mit ihren Kindern und Manfred de Voss lebten. Manfred übersetzte das Hauptwerk
Lanza del Vastos in die deutsche Sprache (Die Macht der Friedfertigen). Unter der Leitung
von Anneliese Grasreiner wurden in den 1980er und 90er Jahren die Arche-Rundbriefe
erstellt, die später zu drei Sammelbänden zusammengefaßt wurden. Einer davon ist noch
heute zu haben und kann bei der Info-Stelle bestellt werden. Ab ca 1998 erschien dann das
Arche-Forum, zu dem Anneliese immer wieder Übersetzungen und andere wichtige Beiträge
beisteuerte. 1994 gab der deutsche Archerat, unter der Leitung von Reinhard Egel, das Buch
„Einheit des Lebens" heraus. Anfang der 90er Jahre entstand der Friedenshof in der Nähe von
Hannover, sowie der Versuch einer losen Arche-Gemeinschaft, „die Fähre“. Der Friedenshof,
der zunächst nur unter anderem Arche-orientiert war, schloss sich in 2007 offiziell der
Internationalen Gemeinschaft der Arche an. 2009 entstand die Arche-Gemeinschaft
Chambrelien in der Schweiz.
Die Arche hat sich anfang des dritten Jahrtausends in einen Erneuerungsprozess begeben. In
2005, nach einem vierjährigen Generalkapitel, wurden die neuen Regeln in der sogenannten
Erneuerungsschrift festgelegt. Davon leiten sich die heutige Charta der Arche und die
deutsche „Wegzusage“ ab. Im Text wird unter anderem das Wort „Gütekraft" verwendet,
welches eine Wortschöpfung der deutschen Arche-GefährtInnen ist. Martin Arnold hat dazu
Forschungen betrieben und eine Doktorarbeit geschrieben. Die Arbeiten sind einzusehen
unter www.gütekraft.de.
Die Charta der Arche lautet:
Nach dem Vorbild von Gandhi und Lanza del Vasto
entscheiden sich die Mitglieder der Arche
zur Gewaltfreiheit und Gütekraft,
die sich auf Arbeit an sich selber
und auf spirituelle Suche stützt.
Sie verpflichten sich
-bereit zu sein zum Dienen und zum Teilen
-einfach zu leben
-alles Lebende zu achten
-sich für Gerechtigkeit und Frieden
mit den Mitteln der Gewaltfreiheit zu engagieren
Es ist jetzt 66 Jahre her, daß die Arche in Paris gegründet wurde. In dieser Zeit ist sie
gewachsen, aber auch wieder geschrumpft. Seit dem Kampf auf dem Larzac kamen immer
mehr Gäste aus anderen europäischen Ländern in die französischen Gemeinschaften. Es
erwachte grosses Interesse an dem einfachen, autarken und Resourcen schonenden Leben der
Compagnes und Compagnons. Die Offenheit anderen Glaubensrichtungen gegenüber
entsprach dem Geist der Zeit. In den 1970er Jahren herrschte Aufbruchstimmung unter
jungen Menschen. Man suchte neue Ziele und Ideale, probierte neue Lebensformen aus und
engagierte sich zunehmend für die Umwelt und den Frieden. Die Arche schien ein Ideal zu
verkörpern. Bis heute machen immer wieder junge Menschen Praktika in den
Gemeinschaften und lernen „Ihre Wünsche auf ihre Bedürfnisse zu reduzieren und ihre
Bedürfnisse auf ein Minimum“, so wie es Lanza einmal ausdrückte. In der Gemeinschaft La
Fleyssiere lebte damals die deutschsprachige Elsässerin Madeleine Burrus. Sie zog mit ihren
Einführungsseminaren viele Menschen aus dem deutschsprachigen Raum an. Ihre
humorvolle und offene Art, ihre angeleiteten Yoga-Übungen und das was sie über das Arche-
Leben und die Prinzipien der Arche offenbarte, wurde durchweg mit großem Interesse und
mit viel Freude aufgenommen. Madeleine war Sozialarbeiterin gewesen. Sie arbeitete auch
mit der Vittoz-Methode, einer Art von psychotherapeutischer Begleitung, die Menschen half,
an ihre verschütteten Gefühle heranzukommen.
In den späten 80er Jahren war die Gemeinschaft in Bonnecombe sehr viel besucht. Dort
leitete Marie-Pierre Bovy wunderschöne Gesangsseminare an. Das Gebäude, ein ehemaliges
Kloster, war stets erfüllt von Musik und Gesang. In Bonnecombe hatte man sogar Elektrizität
und eine Zentralheizung. In den anderen Gemeinschaften, besonders in La Borie, Fleyssiere
und Nogaret, folgte man konsequent den Idealen der selbstgewählten Armut und benutzte
Elektrizität, wenn sie überhaupt vorhanden war, höchstens zum Mahlen des Mehls für die
vielen Brote, die täglich für die drei Gemeinschaften gebacken wurden. Das waren, mitte der
80er Jahre etwa 100 Personen plus Gäste und PraktikantInnen.
Was in dieser Zeit weniger wahrgenommen wurde, war, daß hinter den Idealen und dem
einfachen Leben manchmal auch ein unausgesprochener Zwang lag und die selbstgewählte
Armut manchmal auch in Not und Elend abglitt. Dies spürten besonders einige der Kinder,
die in den Gemeinschaften aufwuchsen. Auch war die Atmosphäre in den Gemeinschaften -
außer an den Festen- sehr ernst, und die Erwachsenen wirkten teilweise traurig. So ist es auch
zu verstehen, daß die meisten im Jugendalter die Gemeinschaften verließen und sich in der
Gesellschaft und teilweise in alternativen Projekten einrichteten. In den 90er Jahren hatte
eine junge Frau, die ein Kind der Arche gewesen war und inzwischen als Psychologin
arbeitete, die Idee, ehemalige Arche-Kinder zusammen zu bringen und über die Kindheit in
der Arche zu reflektieren. Dabei wurden schonungslos alle Defizite und Verletzungen
benannt, aber auch schöne Erinnerungen an gemeinsame Zeiten geweckt. Auch wurde
einigen jetzt erst klar, warum ihre Eltern mit diesen hohen Idealen leben wollten, und es
entstand bei ihnen wieder mehr Annäherung an die Arche. Das ganze wurde zu einem Buch
zusammengefaßt. Es hat die älteren Arche-Mitglieder überrascht und nachdenklich gemacht.
Inzwischen gab es nicht nur die Gemeinschaften, sondern auch viele Arche-FreundInnen, die
sich in Freundeskreisen und regelmäßigen Gruppen trafen. Zeitweise hatte die Arche in über
12 Ländern FreundInnen, Verbündete und Arche-GefährtInnen, die neue Gemeinschaften
gründeten, damit aber nicht alle langfristig erfolgreich waren.
Seit mitte der 1990er Jahre kam es in den Gemeinschaften, aber auch in den Freundeskreisen
zu vermehrter Kritik an dem althergebrachten Arche-System. Besonders eines der 7 Gelübde
für die GefährtInnen, wurde in Frage gestellt. Es war der Gehorsam dem „Orden“ gegenüber.
Außerdem waren viele mit der Bezeichnung Orden nicht mehr einverstanden, denn das
Arche-Leben hatte sich schon lange in Richtung einer Bewegung entwickelt und war nicht
mehr hauptsächlich auf die Gemeinschaften konzentriert. Man machte sich auch langsam
klar, daß der bewußt patriarchalische Führungsstil des Gründers nicht mehr in unsere Zeit
passte. Ein anderes Problem, ganz praktischer Art war, daß viele bei ihrem Eintritt in die
Arche ihr geamtes Hab und Gut gespendet hatten. Durch das Leben in Gemeinschaft, wo sie
keiner bezahlten Arbeit nachgingen, hatten sie später keinen Anspruch auf eine Rente.
Manche mußten im Alter wegen Gebrechlichkeit die Gemeinschaften verlassen und bei ihren
Kindern leben. Einige Kinder empfanden dies als Last und Ungerechtigkeit,-hatten sie doch
nicht einmal von den Eltern geerbt. Auch Streitigkeiten über einen moderneren Lebensstil
gab es, und manchmal waren es auch einfach Feindseligkeiten, die nicht zu vermitteln waren.
Die Stimmung war mancherorts gereizt und die Gemeinschaften bröckelten.
Schließlich ließen sich einige Gemeinschaften von Supervisoren begleiten. Dabei wurde
offen über Frustrierendes, Überkommenes und Fehlendes gesprochen. Es zeichnete sich eine
Neugeburt der Arche ab. Diese fand, wie sollte es anders sein, auch mit Wehen und
Schmerzen für einige statt. Aber nur wenige waren mit der Erneuerung nicht einverstanden
und spalteten sich ab. Alle sieben Jahre findet die Hauptversammlung (Generalkapitel) der
Arche statt. Von 2002 bis 2005 vollzog sich in vier Teilen das Generalkapitel auf welchem
die Arche-Erneuerung diskutiert, abgewägt und schließlich durch Wahl vollzogen wurde.
Dabei wurde betont, daß man jederzeit für weitere Änderungen offen sei, sofern sie sinnvoll
sind. Nichts soll in der Starre erfrieren.
Die Arche hat weltweit viele Initiativen und Projekte inspiriert. Das Leben in Gemeinschaft
war allerdings immer eine große Herausforderung, bei der so manche(r) an seine/ihre
Grenzen stieß. In Spanien reduzierte sich die Gemeinschaft von La Longuera drastisch,
nachdem man feststellte, daß das Arche-Leben für die Kinder zu hart und es zu weit zur
Schule war. Die Farm wurde weiter von einer Familie und einzelnen Personen bewirtschaftet
und produzierte in der Hauptsache Getreide. Die anderen, die in naheliegende Orte gezogen
waren, taten sich zu einer Bäckerei zusammen und stellten bestes biologisches Vollkornbrot
her. Sie beliefern heute rund die Hälfte aller Bio-Läden in Spanien mit Brot. Mit anderen
GefährtInnen und Arche-FreundInnen treffen sie sich mehrmals im Jahr, um sich gegenseitig
zu inspirieren, zu stützen, auszutauschen, Freundschaft zu pflegen. Jeden Sommer gibt es ein
großes mehrtägiges Treffen und gewaltfreie Trainings für Jugendliche.
In Italien gibt es drei Gruppen (Nord, Mittel und Süd), die eher verschiedene Lebensstile
praktizieren, aber dennoch regelmäßig zusammen kommen. Es scheint sich dort mehr und
mehr zu entwickeln. In diesem Jahr (2010) tagt der Internationale Arche-Rat bei der
Südgruppe in Sizilien. Bärbel und Karsten vom Friedenshof werden dabei sein.
Im Norden Argentiniens sind Susanne und Roger Moreau seit 1984 aktiv mit ihrem Grenzen
überwindenden Musikprojekt „Musica Esperanza" im Dreiländereck Argentinien, Bolivien,
Chile. Sie haben dort in Tilcara ein Zentrum für Bildung und Kultur aufgebaut. Seit 1968
sind sie Arche-GefährtInnen. Sie erlebten den Kampf um den Larzac. In ihrer eigenen Region
haben sie erfolgreich mit gewaltfreien Aktionen gegen eine elektrische
Hochspannungsleitung gekämpft, die ihr Tal durchschneiden sollte. Zur Zeit engagieren sie
sich gegen die Erschließung von Uranminen entlang der Kordilleren. In Buenos Aires gibt es
seit vielen Jahren das Haus „Casa del arca“. Dort leben Antonio und Martha Segezo,
ebenfalls langjährige Arche-Verbündete, die in den letzten Jahren auch wieder einen größeren
Freundeskreis in Argentinien mit aufgebaut haben.
In Tunesien, in dem Dorf Tata, befindet sich immer noch ein Garten, der damals von der
Dorfgemeinschaft auf Initiative von Pierre und Therese Parodi hin angelegt wurde. Dieses
Projekt wird bis heute durch Patenschaften aus der Arche-Bewegung bei Bedarf unterstützt.
In Deutschland sind die Arche-Freundeskreise seit ende der 90er Jahre immer mehr
geschrumpft. Es kommen aber weiterhin 2 bis 3 Mal im Jahr Arche-GefährtInnen und Arche-
FreundInnen zusammen, im Arche-Rat, bei den Ausbildungstreffen der neuen GefährtInnen
und besonders an den Jahrestreffen. Dabei nimmt der Friedenshof mit seiner 10 köpfigen
Gemeinschaft eine immer mehr zentrale Stellung ein. Es finden dort das ganze Jahr über
Treffen, Seminare und Veranstaltungen statt, die fast alle an die Arche-Ideale anknüpfen.
Die Ausbildung zum/zur ArchegefährtIn wurde seit der Erneuerung von 7 Jahre auf 3 Jahre
gekürzt. Den Begriff „Verbündete“ gibt es offiziell nicht mehr. Früher legten die
GefährtInnen an Johanni immer für ein Jahr 7 Gelübde ab und die Verbündeten 4 davon.
Heute sprechen diejenigen, die GefährtInnen bleiben oder werden wollen ein mal im Jahr
gemeinsam einen Text der sich an der Charta der Arche orientiert. In Deutschland ist das die
Sie lautet:
Als GefährtIn der Archegemeinschaft sage ich zu (verpflichte ich mich/ gelobe ich/
verspreche ich ...)
auf dem Weg der Gütekraft zu gehen,
die die Kraft des Lebens und der Wahrheit ist.
Sie wurzelt in der Arbeit an sich selbst
und in der spirituellen Suche.
Sie äußert sich im Dienen und im Teilen,
in der Wahl eines einfachen Lebens,
in der Achtung alles Lebenden
und im Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden
mit den Mitteln der Gewaltfreiheit.
Seit 2005 hat die Pilgerin Michele Le Boeuf zusammen mit dem Arche-Gefährten und
Filmemacher Louis Campana mehrere Reisen nach Indien unternommen. Dort nahmen Sie
unter anderem am Weltsozialforum teil und halfen maßgeblich bei den Vorbereitungen und
der Durchführung des internationalen Treffens „Gandhi 2008“, zum 60sten Todestags des
ermordeten Mahatmas. Feste Bande gibt es seitdem mit der Bewegung „Ekta Parishad“ von
Rajagopal V.P., der mit gut organisierten Märschen auf Distrikt -und Hauptstädte die
Vertreibungen von Bauern und Ureinwohnern aus Waldgebieten publik macht und bei den
parallel dazu verlaufenden Verhandlungen mit Politikern schon viel erreicht hat. Louis
Campana, der mehrere Filme über die Bewegung gedreht hat, Gruppenreisen nach Indien
organisiert und sich sehr engagiert, bekam 2008 den indischen Preis „Jamnalal Bajaj Award“,
der an Ausländer verliehen wird, die gandhianische Werte würdigen und weitergeben.
Lee Bach-Bayram, Juli 2010
Wegzusage
Ausbreitung und Aktivitäten der Arche
Entwicklung der Arche
Geschichte der Arche in Kürze